Weiblichkeit vs. Authentizität

Datum: 7. März 2025

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Im Grunde könnte dieser Beitrag auch „Männlichkeit vs. Authentizität“ heißen. Ich bleibe jedoch lieber bei meiner persönlichen Perspektive.

Was mich in den letzten Jahren häufig getriggert hat, ist, wie im spirituellen Kontext gerne zwischen „weiblicher“ und „männlicher“ Energie unterschieden wird – und dass man doch unbedingt daran arbeiten soll, sich in die eine oder in die andere Polarität zu begeben. Nicht, dass ich das grundsätzlich für falsch halte, jedoch finde ich es unbequem, hier die binären Stempel beizubehalten, die sich trotz allen Starrsinns im gesellschaftlichen Blickfeld zunehmend als überholt zeigen.

Rein sprachlich betrachtet, geht mir das sogar ziemlich auf den Keks – es ist kompliziert und stört meinen Lesefluss, wenn ich von Salzstreu*er*in*nen sprechen soll, anstatt das Gerät einfach Salzstreuer zu nennen.

Mensch mit langen Haaren auf einer Wiese

Aber der Gedanke dahinter ist wichtig: das Geschlecht ist ein Spektrum. Ich empfehle hier mal keinen konkreten Artikel dazu – die Suchmaschine deines Vertrauens wird bei Interesse Material liefern – aber selbst aus der biologischen Perspektive ist die Frage von Männlein oder Weiblein nicht eindeutig zu beantworten, obwohl die meisten Menschen sich dadurch brauchbar klassifizieren lassen. Aber genau das ist es eben: eine Klassifizierung. Wofür heutzutage gerne KI-Systeme benutzt werden: in teils super aufwändigen Datenverarbeitungsprozessen werden Eingaben verdaut, es werden Wahrscheinlichkeiten berechnet und hinten kommt dann eine Klassifizierung als Ergebnis heraus, und die ist logisch betrachtet meistens irgendwie nachvollziehbar – unter Berücksichtigung der Daten, mit denen das System trainiert wurde. Wenn du beispielsweise zufällig einen rothaarigen Hund mit einem buschigen Schwanz hast, wäre es durchaus möglich, dass eine KI das Tier für einen Fuchs hält, und damit verhält sie sich nicht zwangsläufig falsch.

Als Menschen können wir uns den Vorgang des Klassifizierens auch nicht so recht verkneifen, denn irgendwie steckt es nun einmal in der Biologie des Gehirns.

Ich möchte auch gar nicht darauf hinaus, dass das Gehirn irgendetwas falsch macht.

Aber ich finde es wichtig, über die Label nachzudenken, die wir verwenden.

Worauf ich hier hinaus möchte ist, dass die spirituelle Einordnung von männlicher und weiblicher Energie irgendwie Kappes ist. Ich bin überzeugt, dass es durchaus Polaritäten gibt, die man jedoch (a) nicht so klar einordnen kann, wie die Begriffe das versprechen, und die sich (b) auch ständig verändern. Ich glaube, die Energie befindet sich in einem ständigen Fluss. Und ich glaube auch, dass der Punkt der inneren Balance eine ganz persönliche Sache ist. Genau darum geht es meistens, wenn dir jemand sagt, du sollst „deine Weiblichkeit kultivieren“ oder „in deine männliche Kraft kommen“.

Speziell im Kontext mit dem Dualseelen-Thema kommen solche Aussagen meiner Erfahrung nach immer wieder, und jedes Mal habe ich mich wieder gefragt, ob mit mir etwas nicht stimmt.

Denn ich habe noch nie in eins dieser Klischees gepasst. Tatsächlich hatte ich, als ich noch ziemlich jung war, ein riesen Ding mit meiner Geschlechtsidentität. Irgendwann wurde diese Diskrepanz sogar dermaßen Teil meines Selbstbildes, dass es mir gefallen hat: ich war stolz darauf und es gefiel mir, ein Kerl im Körper einer Frau zu sein. Das war aber auch wieder nur eine Rolle, die ich gespielt habe.

Mittlerweile sehe ich es so: ich habe meine eigene Persönlichkeit, mit der ich mich wohl fühle. Die ist eine einzigartige Kombination aus Eigenschaften, von denen jede einzelne ganz woanders anzuordnen ist auf diesem Spektrum zwischen M und W. Die verändern sich auch ständig, obwohl man das auf den ersten Blick vermutlich gar nicht merkt. Und ich habe einen Körper, mit dem ich mich wohl fühle, den empfinde ich eindeutig als weiblich, und trotzdem finde ich Kleider unbequem und ich finde es ungemütlich beim Sitzen die Knie aneinanderzukleben. Der Körper verändert sich aber auch dauernd – es geht schon erstaunlich schnell, dass in diesem riesigen Zellklumpen kein Teil mehr dasselbe ist wie vorher.

Irgendwo in diesem Wirrwar (oder da drüber, wie man es eben sieht) lebt im Moment meine Seele. Und die ist nochmal ganz anders. Etwas Übernatürliches, was ich selbst nicht ganz verstehe, aber ich darf es kennenlernen, indem ich jeden Tag auf’s neue übe, die Impulse durchzulassen, die mein höheres Selbst an mein Nervensystem überträgt.

Das alles zu erkennen, in die Balance zu bringen, mich an der Einzigartigkeit zu erfreuen und das nach außen zu tragen, das ist für mich Authentizität.

Und wo wir schon beim Ding mit der Dualseele waren: so chaotisch das alles auch sein mag, und obwohl ich ein Puzzlestück bin, welches dauernd seine Form verändert – aber mein Gegenüber hat zu jedem Zeitpunkt immer perfekt zu dem gepasst, was ich gerade bin (ob das nun meiner Wunschvorstellung von unserem Verhältnis entspricht, ist ein ganz anderes Thema). Ich glaube nicht daran, dass mein Dual mir plötzlich in die Arme springt, wenn ich mich zwinge eine Klischee-Frau zu sein.

Es ist nur meine Meinung, und ich lasse mich gern eines besseren belehren. Aber ich denke, man sollte sich nicht fragen, ob man der weibliche oder der männliche Part ist. Loslasser*in oder Gefühlsklärer*in. Herzmensch oder Kopfmensch. Hund oder Katze. Messer oder Gabel. […]

Ist die wirklich wichtige Frage nicht jeden Tag auf’s Neue: bin ich in meiner Mitte? Reißt meine eigene Energie mich auseinander, oder ist sie ruhig? Bin ich stabil? Welcher Teil verlangt gerade Aufmerksamkeit, die innere Mama, das Kind oder der/die Künstler*in? (Aaaaaahhhhhh, so viele *********** in diesem Absatz.)

Ist das Ziel nicht gewissermaßen, sich überhaupt nicht mehr so viele Fragen zu stellen?


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